Obiora Udechukwu . Malerei
21. Juli - 22. September '07
Der Künstler als Moralist

Obiora Udechukwu sieht seine Rolle in der nigerianischen Gesellschaft nicht primär als Künstler, sondern als Moralist. Er will mit seinen Werken dem Betrachter (und damit seiner Nation) einer Spiegel vorhalten. Nicht umsonst taucht in seinen Arbeiten seit langer Zeit immer wieder das nsibidi Symbol für den Spiegel auf. Mit seiner ganzen Kunst - das sind seine Bilder genau so wie seine Gedichte und Gesänge - versucht er, den lauf der Dinge zu beeinflussen. Er sieht seine Arbeit als Anmerkungen zum gesellschaftlichen leben.
Man kann Udechukwus Werk nur verstehen, wenn man die politische Entwicklung Nigerias seit der Unabhängigkeit berücksichtigt. Nach blutigen Pogromen in den anderen Landesteilen versuchten die 19bos, ihre Region im Osten des Landes als unabhängigen Staat unter dem Namen Biafra von Nigeria loszulösen. Der Krieg war für Udechukwu, der selber dem Volk der Igbos angehört, in zweifacher Hinsicht ein traumatisches Erlebnis: Zunächst führte die Unfähigkeit der Politiker, die ethnischen Streitigkeiten friedlich zu lösen bzw. die Schwächeren vor Übergriffen zu schützen, zu einer nachhaltigen Desillusionierung. Außerdem hinterließen die Schrecken des Krieges in ihm tiefe Spuren, die sich immer noch in seinen Arbeiten zeigen. Schon damals kommentierte Obiora Udechukwu mit seiner Arbeit die gesellschaftliche Entwicklung. Gegen Ende des Krieges, als die Bundestruppen Biafra schon längst von der Außenwelt abgeschnitten hatten, nahm er in einem Theaterstück Stellung gegen die Korruption in der eigenen Führung.

Seither hat er immer wieder vor der eigenen Türe gekehrt und Mißstände in seinem land angeprangert. Dabei machte er deutlich, daß seiner Ansicht nach die Lösung der Probleme in erster Linie im Vertrauen auf die eigene Kraft versucht werden muß. Für seine Vorstellung von der Funktion des Künstlers fand Udechukwu ein Vorbild in den traditionellen Sängern (minstrels). Diese hatten sich schon immer mit ihren Gesängen und Sprichwörtern in das leben der Gemeinschaft eingemischt. Sie machten auf Regelverletzungen aufmerksam, kritisierten offen Mißstände und gaben Anregungen zu deren Beseitigung. Durch die Dokumentation von Auftritten solcher Sänger und durch die Analyse von deren Texten war Udechukwu zu einem der besten Kenner der mündlichen Literatur (orature) seines Volkes geworden.

In dem Zyklus "No Water" (1981) ging der Künstler mit der Regierungsschicht Nigerias ins Gericht. Er stellte die Frage, wie es kommen könne, daß es die Regierung trotz des Reichtums durch den Ölexport nicht einmal schafft, die Grundversorgung der Bevölkerung mit so elementaren Dingen wie sauberem Trinkwasser sicherzustellen. Für "Onye Ndidi - aseries of drawings and watercolours on the theme of Patience" (1985) wählte Udechukwu ein Igbo Sprichwort als Thema, das übertragen etwa lautet: Nur der Geduldige ist als Angler erfolgreich. Mit diesen Werken kritisierte er die Sucht vieler seiner Landsleute nach schnellem Profit, die weitverbreitete Korruption und die Übervorteilung der Schwachen. Am Beispiel des Anglers und des Bauern zeigte er, daß nur Geduld und langfristiges Planen zu dauerhaftem Erfolg führen.

Von den eher karrikaturenhaften Zeichnungen des "No Water"-Zyklus mit ihren direkten politischen Stellungnahmen entwickelte sich Udechukwus Kunst über die "Onye Ndidi"-Arbeiten hin zu eher abstrakten, grundsätzlichen Aussagen, wie die Ausstellung "Nsukka landscape" (1989) zeigte. Udechukwu verwies den Betrachter darin auf die große Bedeutung der Natur als Ursprung und Ausgangsbasis des Lebens und machte klar, daß der Mensch sie bewahren müsse. In einer gewissen Weise kann man die Bilder der Ausstellung als Fazit von vielen Jahrzehnten Erfahrung als Künstler betrachten: Beobachtungen aus dem Alltag stehen neben Kommentaren zu politischen Entwicklungen und Themen aus der Vergangenheit. Traditionelles vermischt sich mit dem Neuen (d.h. natürlich auch mit dem Fremden), genauso wie im modernen Leben. Mit sicherem Gefühl für seine eigenen Wurzeln und mit hohen Erwartungen an die eigene Gesellschaft ist Obiora Udechukwu bereit, auch weiterhin seinen Teil zur Entwicklung in Nigeria beizutragen.