Nek Chand . Skulpturen
14.6.–23.8.03
Eine Gegenform zur akademischen Kunst ist die der Vision Art, der unverbildeten, unreflektierten und spontanen Kunst, wobei spontan nicht gleich planlos bedeutet. Wohl einer der visionärsten Künstler ist der heute 89jährige Inder Nek Chand. Mit seinem parkähnlichen Königreich aus Steinen hat er, nahe der nordischen Stadt Chandigarh, gegen den rechten Winkel der Moderne, gegen Le Corbusiers kühle Architektur von Chandigarh, aus zerbrochenen Armreifen, aus Kachel- und Keramikbruch eine eigenständige Welt, mit Tieren, Wasserträgerinnen, Frauengestalten und Maskenmänner geschaffen. Seit über 25 Jahren zieht sein ‚Kingdom’ Besucher aus aller Welt an.

"Jetzt sagen die Leute Künstler zu mir. Ich liebe das Wort Künstler nicht. Nur Gott treibt mich zu dieser Arbeit. In meiner Familie gab es keine Künstler. Aber schon als Kind hatte ich schon dieses Spiel: ich machte Skulpturen aus Lehm, zerbrach sie wieder und warf sie fort. Ich hatte keine Ahnung, daß die Leute meine Arbeiten ansehen würden. Ich arbeitete nur zu meinem eigenen Vergnügen, ich arbeitete heimlich, in der Nacht, und verbrannte Fahrradreifen, um Licht zubekommen. Das Material für meine Figuren besteht meist aus Fahrradteilen: Rahmen, Schutzbleche, Speichen, Sättel und sogar Lenkstangen als Tierhörner. Niemand wußte, was ich tat, niemand half mir. Wenn die Leute sahen, daß ich irgend einen Schrott auflas, dann lachten sie nur – sonst nichts – und ich habe niemanden verraten, was ich damit wollte. Ich habe nie geglaubt, daß es den Leuten später mal gefallen würde. Jetzt sagen sie zu mir: Ist es ein Moghul Königreich? Oder ein Rajput Königreich? Es ist irgend ein Königreich! Es ist mein Spiel mit dem Königreich. Ich liebe Steine sehr... in jedem Stein ist ein menschliches Wesen, oder auch ein Gott, eine Göttin ... so ist das. Und dies sind auch wieder andere Menschen, die gehören auch zum Königreich, die sind tot, und sind in den Himmel gegangen, und der Schöpfer sagte zu ihnen: kommt doch bitte in dies Königreich, es ist ein schöner Ort, und ihr könnt hier immer bleiben. Und deshalb glaube ich, das jeder Stein, jede Figur hier stehen wird solange die welt besteht. Figuren machen ist ja nicht schwer aber nicht etwa schöne Figuren – ganz grob gemacht! Ich habe gar nicht die Absicht, daß dies hier sehr schön sein soll! Nein, es kann ruhig häßlich sein! Aber ich will weiter daran arbeiten. Nur die Idee ist mir wichtig! Diesen Felsengarten bracht man gar nicht zu erklären. Denn alles, was ich gemacht habe – ich habe die Geschichte beschrieben. Man kann verstehen, wenn man verstehen will. Da braucht man keine Vorträge, das Werk beschreibt sich selbst! Das hat nichts mit Hinduismus zu tun! Es ist für jede Gemeinschaft! Ich glaube an jede Religion! Jede Religion! Wie schon mein Vater, versteh ich nicht viel von Riten, doch wenn ich hier arbeite – das ist auch Gottesdienst! Wenn die Arbeit nicht vorangeht, dann bin ich unglücklich ... Der Tag wird nie kommen, wo dieses Königreich fertig ist, jeden Tag gibt’s so viele Ideen! Und selbst nach mir wird es nicht aufhören: Andere Menschen werden die Arbeit fortsetzen."

Aus einem Gespräch mit Ulli Beier und Paul Cox.